Das graphische Werk
"Mit der Druckgraphik betrete ich ein Paradies, das der Malerpinsel nicht mehr erreicht." Hundertwasser
"Graphik machen ist so ähnlich wie ein Simultanschachspiel mit vielen obskuren Partnern." Hundertwasser
- 484A HÄUSER IM BLUTREGEN
- Japanischer Farbholzschnitt
- 1961
Mit japanischen Holzschnitten kam ich zum ersten Mal in Berührung, als
ich mit Freunden durch Italien trampte. Ich sah, wie bei Hiroshige Bauern
mit Regenschirmen durch den Regen liefen, und ich sah Holzschnitte von
Hokusai, mit dem Fudschijama im Hintergrund und mit Wolken, Wasser
und Wellen. All das hat bei mir einen so tiefen Eindruck hinterlassen, daß ich später beschloß,
selbst Drucke zu gestalten.
Unmittelbar danach zeichnete ich einige Skizzen für Holzschnitte – all das geschah 1950. Es
dauerte noch sehr lange, zehn Jahre, bis ich endlich selbst nach Tokio kam und mit den ersten
japanischen Holzschneidern Kontakt aufnehmen konnte. Es war äußerst schwierig, sie davon zu
überzeugen, mit einem europäischen Künstler zusammenzuarbeiten, weil sie zu Recht sehr
eifersüchtig über ihre Kunst wachen.
(aus: Hundertwasser, Japanische Holzschnitte und ich, 1977)
- 669 KING KONG
- Serigraphie
- 1968
Dies war der Beginn einer langen Zusammenarbeit mit meinem Freund, dem „Coordinatore“ Alberto Della Vecchia. Bis jetzt hatte ich mich dagegen gewehrt, Graphiken zu machen. Was bisher entstand, war quasi gezwungenermaßen entstanden. Bis Alberto mir eine von ihm gestaltete „Hundertwassergraphik“ brachte. Mir wurde gleich übel: ein mich nachäffender Kitsch. Trotzdem war es der entscheidende Anstoß, es besser und richtig zu machen. So entstand „King Kong“. Hundertwasser
- 686 GOOD MORNING CITY
- Serigraphie
- 1969/70
- 686 GOOD MORNING CITY - BLEEDING TOWN
- Serigraphie
- 1971
Dies ist meine erste durchnumerierte Großauflage, die eigentlich
gar keine ist, da sie aus vielen Variationen besteht. ... Ich habe
Monate in der Druckerei in Campalto verbracht, während ich auf der „Regentag“ nicht weit
davon in einem Kanal der Lagune bei Ca’Noghera lag. Es war wie ein Simultan-Schachspiel mit
über vierzig Gegnern. Ich tat dies noch konsequenter mit dem späteren Siebruck 860 Homo
Humus come va. Ich glaube nicht, daß mir jemand dieses gigantische Unternehmen gleichtun
kann, das mich zwei Jahre beanspruchte. Ich verwendete völlig neue Techniken in der Druckgraphik: Metallprägedruck, Phosphorfarben, die in der Nacht leuchten, reflektierende
Glasperlen-Aufdrucke, konvexe Prägungen und eine unglaubliche Anzahl von Farbüberdrucken,
die ich einzeln auf Transparentfolien malte und die dann auf Sieb übertragen wurden. Dann die
Probedrucke der unendlich gewordenen Farbkombinationen. Ich wollte das Fließband ad
absurdum führen. In die Enge getrieben, zwischen einer unglaublich einsetzenden Nachfrage
und meinem Stolz, Originale und nicht Massenware zu schaffen, und bestrebt, soviel von
meinem inneren Selbst wie nur möglich zu geben. ...
Hundertwasser
- 728 WIESENMANN
- Radierung
- 1974
Meine Aufteilung der Druckgraphik-Herstellung war voll im Gange: Japan war
zuständig für Holzschnitte, Paris für Lithographien, Venedig für Seidensiebdrucke
und Wien für Radierungen und Kupferstiche. Ich glaube, es gibt keine bessere
Einteilung und Benutzung der traditionellen Meisterschaft in den einzelnen Sparten der
Druckgraphik.
Hundertwasser
- 860 10002 NIGHTS HOMO HUMUS COME VA HOW DO YOU DO
- Fotolithographie/Serigraphie
- 1984
…Jetzt ist es mir mit meinem dreiundachtzigsten graphischen Werk gelungen, so viele verschiedene Blätter herzustellen, wie die Auflage hoch ist. Es gelang mir, nicht nur eine Graphik zu machen, sondern eine wirkliche Originalgraphik, ein Unikat. Es war eigentlich nur ein letzter Schritt in die Richtung des guten Gewissens.
Das Wort Originalgraphik sollte bedeuten, daß das Graphikblatt ein Original, ein Unikat ist, daß es weder eine Reproduktion noch eine Vervielfältigung darstellt, daß es also
- keine Reproduktion nach einem Bild ist und
- daß es davon kein anderes gleiches gibt.
Der Unterschied zum handgemalten Bild ist nur der, daß dieses Unikat drucktechnisch und nicht mit dem Pinsel in der Hand hergestellt wurde. (aus: Hundertwasser, Zur Originalgraphik, 1984)