Das malerische Werk

„Die Bilder sind die Ernte meiner Träume.“ Hundertwasser

„Meine Malerei ist, glaube ich, deshalb völlig anders, weil es eine vegetative Malerei ist.“ Hundertwasser

„Malen ist eine religiöse Tätigkeit.“ Hundertwasser

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97 DER WUNDERBARE FISCHFANG
In Zusammenarbeit mit René Brô
Mixed media
St. Mandé, 1950

In dieser Zeit traf ich mit Brô eine Vereinbarung. Brô malte kreisrunde Köpfe mit Gesichtern, in denen weit oben mandelförmige Augen saßen, mit Nase, Flüssen und einem Mund in der Form eines Schiffes. Ich malte „Seelen-Bäume“, die wie Menschen oder Heilige von einer Aureole umgeben waren. Bäume, durch die man hindurchsehen konnte, als kämen sie aus gläsernen Welten. Diese Bäume hatte ich in den Zeichnungen Walter Kampmanns gesehen. Brô erlaubte mir, seine Gesichter zu zeichnen, und er durfte meine „Seelen-Bäume“ malen.
Hundertwasser

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227 EIN REGENTROPFEN, DER IN DIE STADT FÄLLT
Aquarell
Paris, 1955

Auch dieses Aquarell habe ich in vier Teile gefaltet und immer auf einem Viertel der Fläche bemalt. Es ist wie eine Gedankenfolge nach den Bildern 153 und 154 Automobil mit roten Regentropfen, nur fällt der Regentropfen in eine Stadt - ein Aufruf zu einem neuen Urbanismus in Harmonie mit der Schöpfung. Der tachistisch fallende Tropfen, minutiös dargestellt, oder wie ich später sagte: Each raindrop is a kiss from heaven.
Hundertwasser

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460 HOMMAGE AU TACHISME
Mixed media
La Picaudière, 1961

Für mich war der ehrlichste Tachismus die totale Selbstaufgabe. Wenn ein Maler mit einem Kübel Farbe auf eine Leiter steigt, sich oben erschießt, und die Farbe fällt „automatisch“ auf die am Boden vorbereitete Leinwand, so ist dies der sublimste Akt der tachistischen Selbstaufgabe. Die Leinwand ist wie ein Sprungtuch, die Farbe bleibt haften, der tote Initiator fällt durch. Blindmalerei – mit verbundenen Augen – oder Linkshandzeichnungen, wenn man Rechtshänder ist, sind nicht so total ehrlich, und läßt man Schnecken, Affen, Eselschwänze, Elefantenrüssel malen, dann ist doch jemand anders, wenn auch tachistisch korrekt, am Werk. Ich wollte mit diesem Bild sehr luzid und gegenwärtig und genau darstellen, wie eine tachistisch fluidoid-spiraloide Malerei bei vollem Bewußtsein, wie von einer anderen Warte, einer anderen Zeit und Welt aussieht, wenn sie mit herkömmlicher Methode gemalt wird. Ich hatte eine Hochachtung vor dem Tachismus, aber als Außenstehender.
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583 ZWEI KUVERTS AUF LANGER REISE
Aquarell
Hamburg, 1964

Wie schon öfter, z. B. bei 188 Der parlamentarische Inhalt eines Pfeiles, 180 Dampfer und Strudel im Garten, 201 Hemdärmelschnitt, 581 Die impotenten Wasserfälle von Krk hat die äußere unregelmäßige Form des Malgrundes große Bedeutung, da sie selbst essentieller Bildteil wird. Aufgemachte Kuverts, Briefumschläge, Schneiderschnitte bieten sich umsonst an, man braucht nichts mehr dazutun, denn sonst wird die Ready Made Form schlecht und unglaubwürdig, und der Kontrast zwischen der gemalten und der äußeren Form ist dahin. Der Rand ist so wie die Haut. Wenn ich zu malen beginne, weiß ich nicht, wo anfangen: Vom Rand weg ins Zentrum oder vom Zentrum zum Rand. - Dinge sich entwickeln lassen, die da kommen.
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622 DER NASENBOHRER ODER
DIE BEWEINUNG EGON SCHIELES
Mixed media
Lugano, 1965

Ich liebe Schiele, Picasso und Klee und ihresgleichen und Giotto, die Alten und ihresgleichen. Doch dazwischen und sonst ist gähnende Leere. Das Einfache ist weit noch. (...) Ich träume oft wie Schiele, mein Vater, von Blumen, die rot sind, und Vögeln und fliegenden Fischen und Gärten in Samt und Smaragdgrün und Menschen, die weinend in Rotgelb und Meerblau gehen...
(aus: Hundertwasser, Ich liebe Schiele, 1950/1951)

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839 LOEWENGASSE LA TROISIEME PEAU
Mixed media
Porquerolles, 1982

Eine Hundertwasser-Haus-Architektur-Träumerei. Das Projekt war gerade in Arbeit. Architektur und Malerei zu verbinden ist schwierig. Mir wirft man aus Architekturkreisen vor, daß ich Häuser nur bemale, daß alles potemkinsche Fassade, also flach ist, mit nichts dahinter. Dabei baue ich im Team, mit Architekt Pelikan sehr varierte, verwinkelte, komplizierte Häuser. Es sind im Gegenteil gerade die linealgeraden, seelenlosen Architekturen flach und mit Computer leicht zu erfassen und zu konstruieren. Meine Häuser - sagten Computerleute - brauchten oft mehr Dateneingaben als mittelalterliche Kathedralen.
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959 FLIEGENDES ERDGESICHT - KOPF IN FLAMMEN
Mixed media
Wien, 1998

Das Bild ist für mich deshalb wichtig, weil es das einzige ist, das auf einer Weißgrundierung - auf Leinen - gemalt ist, die meine Mutter selbst gemacht hat. Sie wollte darauf malen, ist aber vorher gestorben. So stand die malfertige Leinwand jahrelang bei mir herum. Nachdem meine Mutter mir unbedingt die Malerei als Haupttätigkeit ausreden wollte, da das ein "Hungerleiderberuf" sei, hat sie später, mit etwa siebzig Jahren selbst zu malen begonnen, wohl auch um mir zu beweisen, daß sie es auch kann - im naiven Stil der Grandma Moses, die im hohen Alter nach einem erfüllten Leben im "Ausgedinge" zu malen begann und eine Sensation in der Kunstwelt wurde. Grandma Moses malte, bis sie über hundert Jahre alt war. Meine Mutter starb mit 87 Jahren.
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